Servicestrategie - dem Zufall ein Schnippchen schlagen

„Jeder Gast verlässt unser Hotel zufrieden.“ war der Leitsatz, dem ich in jungen Jahren als Angestellte einer amerikanischen Hotelkette folgte. Hinter der Aussage verbarg sich eine Initiative des Managements, wirklich alle Mitarbeiter in die Kunden- und Serviceorientierung des Hotels mit einzubeziehen.

Im Falle von Beschwerden, die direkt an einen Mitarbeiter herangetragen wurden oder die man auch nur zufällig durch Gespräche der Gäste auf dem Flur oder im Restaurant wahrnahm, sollte und durfte man reagieren, um schnell und unkompliziert Abhilfe zu schaffen.    

Bei unumkehrbaren Pannen war jeder Mitarbeiter verantwortlich, sich im Namen der Direktion zu entschuldigen und Leistungen von der Hotelrechnung zu nehmen, um so wenigstens auf finanziellem Weg eine Wiedergutmachung herbeizuführen. Immerhin! Das war zu Beginn der 90er Jahre und Deutschland damals noch die vielbesagte „Servicewüste“. Aber - es war meine erste lebenspraktische Erfahrung, als Mitwirkende eines strategischen Plans, den Umgang mit Kundenwünschen und Kundenbeschwerden zu lernen.

 

Quo vadis Kundenservice?

Seit dem ist viel Wasser die Elbe hinuntergeflossen. Doch das Thema hat an Aktualität nichts verloren. Jeder von uns ist fast täglich in der Rolle des Kunden und erlebt am eigenen Leib, wie frustrierend es sein kann, als solcher nicht wahrgenommen zu werden. Schnell und kulant mit Reklamationen umzugehen, Kunden ihre Erwartungen und Wünsche von den Augen abzulesen und ein Gespür für sie zu entwickeln, liegt manchmal noch sehr brach.

Ein Minimum an Service lockt heute keinen aufgeklärten Kunden mehr hinter dem Ofen hervor. Und es gibt garantiert Wettbewerber, die das schon lange erkannt haben. Kundenbewusste Unternehmen überlassen beim Thema Service jedoch nichts dem Zufall und gehen die Herausforderung strategisch an. Spätestens wenn die Ergebnisse von Kundenumfragen in den Keller gehen und Online-Bewertungen zeigen, dass die Konkurrenz am eigenen Unternehmen vorbeizieht, wird es Zeit umzudenken. 

 

Selbst Unternehmen mit ausgezeichneter Kundenorientierung wissen, dass einmal Erreichtes nur ein erster Schritt auf dem Weg zur Erfüllung einer zukunftsweisenden und nie endenden Service-Mission ist. Denn auch Dienstleistungen und Services haben einen Lebenszyklus. Was heute noch innovativ und kundenorientiert war, kann morgen schon selbstverständlich oder gar überholt sein. Da heißt es: dranbleiben und nicht nachlassen.

 

Services entwickeln sich gemeinsam mit den Kundenbedürfnissen stetig weiter und liefern dem Kunden, was er wünscht. Und im besten Falle einen Nutzen, von dem er noch gar nicht wusste, dass er ihn brauchen würde. Wenn wir beispielsweise selbst Online-Kunde sind, kennen wir diesen Hinweis: „Kunden die diesen Artikel gekauft haben, interessierten sich auch für jenen.“ Ganz klar soll hier der Cross-Sell angekurbelt werden. Und als Kunde riskieren wir vor lauter Neugier schon mal einen Blick auf passendes Zubehör, Erweiterungsmodule oder ergänzende Utensilien, die wir gern hätten, um den gerade getätigten Neukauf auf unsere individuellen Wünsche anzupassen und Schönes noch schöner zu machen. Wenn sich also Kernprodukte mit Zusatzleistungen ideal kombinieren lassen, kann das Kunden glücklich machen UND den Absatz fördern.

 


Services vom Zufall zu befreien

... und sie strategisch in der Unternehmenskultur zu etablieren, passiert nicht von heute auf morgen und betrifft die gesamte Struktur eines Unternehmens: seine Prozesse, seine Mitarbeiter und seine Ressourcen. Insbesondere für Mitarbeiter ist eine Servicestrategie eine gute Orientierung für ihre tägliche Arbeit und schafft Klarheit über die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens. Sie definiert konkrete Aufgaben für jeden Einzelnen und entpuppt sich als messbares Führungsinstrument.

 

Idealerweise erstellen wir zunächst eine lückenlose Übersicht aller Kundenkontaktpunkte und beginnen, ähnlich einer Standortanalyse, mit Fragestellungen wie diesen: 

  • Was sind unsere Produkte? Was sind unsere (Dienst)Leistungen?
  • Wer sind unsere Kunden und warum? Was erwarten sie von uns?
  • Wer sind unsere Wettbewerber?
  • Welche Service-Trends können wir schon heute für unsere Branche und allgemein erkennen?
  • Was können wir besonders gut? Gibt es möglicherweise bereits einen Service-USP?
  • Wo und warum hapert es an manchen Stellen?

Für eine größere Vielfalt der Blickwinkel lohnt es sich immer, einen heterogenen Kreis von relevanten Entscheidern bei der Beantwortung dieser Fragen mit einzubeziehen und über den Tellerrand der eigenen Abteilung zu schauen. Oftmals haben Mitarbeiter aus der Produktion einen ganz anderen Blick auf die Dinge, als Mitarbeiter im Außendienst.

 

In Unternehmen mit größerem Filialnetz oder weltweit verteilten Standorten kann es sinnvoll sein, die Beantwortung durch eine (anonyme) Mitarbeiterumfrage zu unterstützen und wertvolle Informationen zu erhalten, die bisher niemand wirklich auf dem Schirm hatte. Auf diese Weise ist auch jeder Mitarbeiter involviert und hat die Chance, sagen oder schreiben zu dürfen, was ihm schon immer unter den Nägeln brannte, aber bisher vielleicht kein Gehör fand.

 

Der Weg ist das Ziel!

Im nächsten Schritt schauen wir uns genauer an, welches Ziel wir konkret mit der Erarbeitung einer Servicestrategie verfolgen: Wollen wir bestimmte Kundengruppen (Branche, Region, Kaufintensität) an uns binden? Erwarten wir eine bessere Reputation unserer Produkte und des Unternehmens? Wollen wir zusätzlichen Umsatz erreichen? Wollen wir Marktanteile (zurück) gewinnen? Neue Märkte erobern?

 

Aber bevor es daran geht, Lösungen umzusetzen, braucht es einen auf das gesamte Unternehmen ausgerichteten Maßnahmenplan inklusive eines Checks aller Prozesse und Ressourcen:

  • Finden wir einen Leitsatz, der unsere (neue) strategische Serviceausrichtung auf den Punkt bringt und Kunden und Mitarbeitern den Wert unserer angestrebten Services vermittelt?
  • Welche neuen oder verbesserten Service-Maßnahmen wollen wir kurz-, mittel- und langfristig umsetzen?
  • Sind unsere Mitarbeiter ausreichend befähigt unsere künftige Servicequalität an allen Kundenkontaktpunkten umzusetzen? Welche Trainings / Coachings sind nötig?
  • Welche internen Prozesse sind Zeit- und Enegiefresser, die nicht nur uns sondern auch den Kunden das Leben schwer machen?
  • Benötigen wir zusätzliche finanzielle Mittel oder weitere Ausstattung (IT)?
  • Welche Auswirkungen haben unsere künftigen Services auf die Abteilungen „backstage“ – z.B. Einkauf, Controlling und Marketing?

Mehr Service, bitte!

Während des gesamten Prozesses entwickeln sich an vielen Stellen, oft schon ganz früh, konkrete Vorstellungen und Initiativen, was sich verbessern kann. Jetzt bitte nicht aktionistisch werden und sofort loslegen, aber unbedingt notieren, an zentraler Stelle sammeln und prüfen, ob diese Ideen in den nun folgenden Maßnahmenplan aufgenommen werden können.

 

Und dann geht es endlich los! Wer macht was? Mit wem? Bis wann? Je nach Umfang und Ausprägung helfen hier konkret formulierte Aufgabenpakete, die idealerweise nicht nur auf einer Schulter lasten sondern auf eine oder mehrere thematische Arbeitsgruppen verteilt werden und die Verantwortung dafür tragen.

 

Schon während der Planung ist es äußerst sinnvoll zu fragen: wie lässt sich die Wirkung unserer umgesetzten Maßnahmen messen? Mit Hilfe von Mystery-Checks, Kundenbefragungen, Rückgabe- oder Reklamationsquoten und durch aktives Einholen von Kundenbewertungen - pro verkauftem Artikel oder in Anspruch genommener Leistung - lässt sich ein sehr gutes Vorher-Nachher-Szenario abbilden. 

 

Kooperation statt Konkurrenz

Aber machen wir uns nichts vor. Auf dem Weg zur Service-Oase werden in jedem Unternehmen auch kritische Stimmen laut. Der Wechsel von Werten und Kultur stellt vieles auf den Kopf, was bisher richtig und völlig ausreichend schien. Veränderungen holen so manchen aus der langgehegten Komfortzone und brechen liebgewonnene Routinen auf. Eine Folge davon sind Verunsicherung, Angst und Widerstand.

Das Gefühl von „die da oben und wir hier unten“ lässt sich nur vermeiden, wenn von Anfang an alle Hierarchieebenen in den Gestaltungsprozess mit eingebunden werden. Selbst ein Teil der Veränderung zu sein, also mittendrin statt nur dabei, tut einiges für die Motivation und das Verantwortungsgefühl Ihrer Mitarbeiter. Und jeder Einzelne darf stolz auf sich sein, wenn am Ende seine Mühen Früchte tragen.

 

Eine klare und emphatische Kommunikation, die von Beginn an über Ziele, Vorgehen und Hintergründe informiert und ehrlich von Teilerfolgen oder auch Rückschritten berichtet, schafft Akzeptanz und letztlich auch Vertrauen. Führungskräfte, die die angestrebte Servicekultur vorleben, die sich einbringen und ihre Mitarbeiter um Input bitten, sich als Gesprächs- und Sparringspartner den Arbeitsgruppen zur Verfügung stellen und den eigenen Standpunkt auch mal in den Hintergrund treten lassen, genießen sehr wahrscheinlich nicht nur bei der Umsetzung der Servicestrategie eine hohe Mitarbeiterakzeptanz. Und sie feiern mit ihren Mitarbeitern die gemeinsamen Erfolge. Das muss nicht immer eine Riesensause sein. Ein Dankeschön-Bier zum Feierabend oder eine Überstunden-Pizza nach langen Arbeitstagen sind viel persönlicher, weil sie von Herzen kommen.

 

Fakt ist: Glückliche Mitarbeiter verhelfen zu glücklichen Kunden. Und glückliche Kunden sind nicht nur zufrieden oder treu. Viel wichtiger - sie sind loyal.

 

 

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